Einleitung
Politische Wandgemälde (Murals) haben in Nordirland eine lange Tradition. Das ersten Mural entstand zu Beginn diese Jahrhundert. (1908 in der Beersbridge Road in Belfast) und zeigte Wiliam den Dritten, der im Volksmund King Billy genannt wird. In Derry entstand das erste Wandgemälde in den zwanziger Jahren. Es zeigt ebenfalls King Billy und zusätzlich noch die Belagerung von Derry. Es ist noch heute erhalten und zu besichtigen.
In den zwanziger und dreißiger Jahren kam es zu einer zweiten Welle von Murals, auf denen neben den traditionellen Darstellungen von William dem Dritten und orangistischen Symbolen, vor allem auch die Schlacht an der Somme und Darstellungen des Königtums zu finden waren.
Mit diesen Murals wurde die Trennung in Nordirland verfestigt. War bisher nur in der „Marching season“ klar zu sehen, daß man Loyalist war, stellten die Murals eine Möglichkeit dar, seine Loyalität das ganze Jahr über zur Schau zu stellen. Sie verwandelten Bezirke in denen Protestanten lebten in protestantische Bezirke.
In den folgenden Jahren wurden regelmäßig Murals gemalt, die von Offiziellen des Staates und der Regierung eingeweiht wurden. Die Murals dienten dazu, den protestantischen Staat zu feiern und als Deklaration der Unterstützung dieses Staates und der Bestätigung der protestantischen Identität. Bis zum Beginn der 80 Jahre war die Entstehung von neuen Murals jedoch rückläufig.
Erst im Zuge des Hungerstreiks von katholischen Häftlingen im Jahre 1981 kam es von Neuem zu einer Zumahme der Murals. Die Republikaner entdeckten die Murals, die bisher eine Domäne der Protestanten in Nordirland gewesen waren, und benutzten dieses Mittel verstärkt, um ihre Positionen und Foderungen in der Öffentlichkeit darzustellen. Daraufhin nahm auch die Zahl der protestantischen Murals wieder zu, da man sich von den Republikanern herausgefordert sah. Es kam zu einem regelrechten Wettstreit zwischen beiden Gruppen.
In dieser Zeit verloren die traditionellen Bilder von King Billy an Bedeutung. Statt dessen fand man verstärkt Flaggen und Embleme, und vor allem seit 1985, die Paramilizen auf den Wandgemälden wieder. Dieses ist vor allem auf das Anglo-Irish-Agreemant zurückzuführen, von dem man befürchtete, daß es zu einem Ausverkauf Nordirlands an die Republik Irland führen würde.
Die loyalistischen Murals waren ursprünglich Teil der Straßendekorationen für die Paraden und Aufmärsche der Orangisten, die alljährlich am 12. Juli in vielen Städten zur Erinnerung an den protestantischen Sieg Williams des Dritten über das katholische Heer von James II. im Jahre 1690 stattfinden. Sie haben oft nur eine kurze Existenz. Es gibt aber auch einige sehr alte Murals, die im Laufe der Jahre immer wieder restauriert wurden, dabei aber oft verändert oder ergänzt worden sind. Auf Grund der kurzen Lebensdauer gehen Murals oft auf aktuelle politische und gesellschaftliche Ereignisse ein.
Murals sind in ganz Nordirland zu finden, die meisten befinden sich jedoch in den Städten Belfast und Derry. Die Gemälde befinden sich nicht am Rande der einzelnen Gemeinden, sondern viel mehr in deren Zentrum, d.h. sie richten sich vor allem an die eigene Bevölkerung und nicht an die Gegenseite. Es findet keine Debatte über die Grenzen der Gemeinden hinweg statt, sondern viel mehr eine interne Auseinandersetzung über die Bedeutung von traditionellen loyalisitschen Bildern und Symbolen und den Werten, die damit verbunden sind.
Die Murals benutzen die traditionellen Symbole, die auch auf den Fahnen des Orange Order gezeigt werden. Sie verändern jedoch die Bedeutung dieser Symbole, indem sie die Erfahrungen aus den „Troubles“ mit verarbeiten. Murals„are not intended to convert the unbelievers but to confirm the existing beliefs“ . Auf ihnen sind fast nie direkte Bezüge auf den Gegner zu finden, so daß man sie nicht als eine Drohung an die andere Gemeinde verstehen kann.
Ein weiterer Grund für ihre Lage innerhalb der Gemeinden liegt darin, daß sie dort besser vor Anschlägen geschützt sind als an den Grenzen der Bezirke.
Mit der Anwachsen des Interesses der Medien hat jedoch die Aussenwirkung der Murals zugenommen, so daß sie nicht mehr ausschließlich als eine innere Angelegenheit der jeweiligen Gemeinden verstanden werden können.
Murals wurden früher vor allem von professionellen Malern gemalt. Mit der großen Zunahme dieser Bilder wandelte sich jedoch auch die Schicht derer, die sich als Maler der Murals betätigen. Heute sind es vor allem arbeitslose Männer und Jugendliche. Es handelt sich dabei meist um Bewohner der Gegend in der die Murals entstehen.
Eine beliebte Fläche für Murals sind die Giebelwände von Reihenhäuser auf die die Bilder meist ohne Zustimmung des Eigentümers, in vielen Fällen der Staat, gemalt werden. Die Murals haben jedoch meist die Zustimmung der örtlichen Bevölkerung.
Die Wandgemälde stellten eine politische Ausdrucksmöglichkeit für die Arbeiterschicht dar, die oft eine andere Vorstellung von den traditionellen Werten des Orangeismus hat, als die in der Gesellschaft führende Schicht. Da diese Bevölkerungsgruppe geringen Zugang zu Möglichkeiten der politischen Artikulation hat wird von ihr das Wandgemälde besonders bevorzugt. So sind Murals in Abeiterbezirken weit häufiger als in Wohngegenden der Mittelschicht.
Im Gegensatz zum Orange Order wo die Mittelschicht bestimmenden Einfluß hat, kann auf den Wandgemälden die Arbeiterschicht die Symbolik bestimmen. Das führte auch dazu, daß im Gegensatz zu früher, wo auch die Murals eng mit dem Orange Order verbunden waren, heute die paramilitärische Symbolik stark vertreten ist und zu den dominierenden Motiven auf den Murals geworden ist.